[ Der Beststeller ]

Die Handlung dieses Gedichtes ist zwar frei erfunden, aber es gibt sicher Situationen, die dem einen oder anderen Mitmenschen schon so oder so ähnlich widerfahren sind.

Das Gedicht ist im Stil von Eugen Roth geschrieben.

 

Ein Mensch, seit Tagen auf der Suche
nach einem vielgeles'nen Buche,
das Funk und Fernsehn angepriesen,
als sei's noch rarer als Devisen
und eigne sich für Weihnachtsgaben,
sei auch noch überall zu haben,
durchstöbert jeden Bücherladen,
fragt nach in Antiquariaten,
durchwandert auf verschlung'nen Wegen
voll Forscherdrang die Bibliotheken,
sucht schließlich, statt zu gehn ins Bett,
Nachts noch danach im Internet,
befragt die Basen, die Gevattern ...
das Buch ist nirgends zu ergattern

Doch als sein Mut droht zu versiegen,
sieht er's in einer Auslag' liegen
und ist zum Kauf schon wild entschlossen,
da liest ein Schild er: "Heut geschlossen!"

Angstvoll beschließt er nachts um zehn,
gleich morgen wieder hin zu gehen,
jedoch - am andern Tag sogleich -
spielt ihm der Zufall einen Streich:
von seinem Chef wird ihm geheißen,
für vierzehn Tag zu gehn auf Reisen.

Verzweifelt ruft er aus der Bahn
den Händler gleich per Handy an,
möcht bitten ihn auf diesem Wege,
daß er das Buch zurück ihm lege,
doch gnadenlos das Schicksal waltet:
der hat sein Handy abgeschaltet.
Vom Bahnhof aus ruft er ihn an -
am andern End geht niemand ran.

Er kommt nach Hause von der Reise,
denkt nicht an Schlaf, noch Trank und Speise,
eilt hin, voll Bangen und voll Hoffen,
sieh da, der Laden hat noch offen.

Froh tritt er ein, den Kauf zu tät'gen,
doch der Besitzer von dem Lädchen
bedauernd mit den Achseln zuckt:
"Dies Buch wird längst nicht mehr gedruckt.
Das Stück, das jüngst im Fenster lag,
hab ich verkauft vor vierzehn Tag,
es war mein letztes Exemplar,
das Buch ist nicht mehr lieferbar!"

Enttäuscht vom Fernsehn, wie vom Funk,
ergibt der Mensch sich still dem Trunk.

© Heiner Vogel

 

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