[ Neuerungen beim Datenschutz ]

 

Ich komm' am Dienstag ins Büro,
ganz ahnungslos – noch urlaubsfroh –
pack' Brötchen aus und Thermosflasche,
hol' auch die "Bild" noch aus der Tasche,

werf' dann schon mal so kurz nach Neun
'nen Blick in eine Akte rein,
worauf mein Aug' sich feucht umrändert:
Die Praxis ist total geändert!

Ein einz'ger Trost lohnt mein Bemüh'n:
Noch sind die Aktendeckel grün.
Drauf geh' ich arglos zum Computer,
sag' freundlich: "Hallo, Großer Bruder!"

Er blinkt mich an: "Sag an, mein Sohn,
kennst du denn auch das Passwort schon?"
Ich muß gesteh'n, ich kenn es nicht.
Der Große Bruder aber spricht:

"Du hast dir jetzt gleich auf der Stelle
eins auszudenken auf die Schnelle,
und zwar eins, das kein Andrer kennt.
Nun hat der Schlendrian ein End'.

Denn jetzt ist Schluß damit, von wegen
das 'LOGIN' klau'n von dem Kollegen
und dann so tun, als hätt' bei Nacht
sich jemand einen Jux gemacht

und tausend Euros in Devisen
dir auf dein Konto überwiesen.
Drum – soll ich dich fortan erkennen,
mußt du mir erst dein Passwort nennen.

Und gibst du 's nicht gleich richtig ein,
dann kommst du ins System nicht rein.
Noch vier Mal darfst du es versuchen,
ist's dann noch falsch, so wirst du fluchen:

Dein 'LOGIN' wird sofort gesperrt
und du wirst zum Rapport gezerrt.
Man fragt im Daten-Schutz-Büro
dich zynisch dann: ''Sie ham wohl Stroh

im Kopf, und Urlaub bloß im Sinn''?
''Nein, nein'' rufst du, ''ich hab' nix drin!''
Drauf wird man dich zu deinem Besten
auf deinen Geisteszustand testen.

Das ist nicht schlimm, Sie wern 's glei' seh'n:
"Sie ham doch Finger!" – "Wieviel?" "Zehn!"
"Sie zähl'n das Wort jetzt – nicht zu knapp –
ganz einfach an den Fingern ab.

Ihr Passwort is' exakt sooo lang!"
"Wie wär's mit "Schreibtisch" fragst du bang?
"Mein Herr, ich glaub' Sie sind debil,
das sind doch wieder zwei zuviel!"

"An "Freibier" hätt' ich noch gedacht?"
"Des sin' zu weng! Des sin' bloß acht!"
"Ich seh' schon – Sie sind überfordert."
Gleich drauf wirst du zum Chef beordert.

Der Chef nimmt sanft dich bei der Hand,
versetzt dich in den Ruhestand
und spricht: "Mein Freund, es tut mir Leid,
Sie passen nicht in uns're Zeit,

rein fachlich war'n Sie ausgezeichnet –
am Desktop sind Sie ungeeignet!"
"Mein Trost sei für Ihr ferneres Leben:
Sie brauchen Ihr'n Geist nicht aufzugeben.

Fragt man Sie an der Himmelspfort'
nach Passwort oder Sperr-Passwort,
wär's gut, eh' Sie ins Gras gebissen,
daß Sie bis dann ihr Passwort wissen!"

So sprach zu mir der "Große Bruder",
im Fachjargon genannt Computer,
der breit auf meinem Schreibtisch steht
und ohne den heut' nichts mehr geht.

"Viel Spaß", sprach er, "beim Datenschützen!
Sich blöd zu stell'n wird dir nichts nützen,
drum such dir gleich heut Nacht zu Haus
ein originelles Passwort aus!"

 

© Heiner Vogel

 

Druckversion
(PDF-Dokument)

zurück zur Übersicht

Kostenloser DownloadDownload
Acrobat Reader