[ Der “Expresser’s-Hanni” ]

Nicht nur die Familie meines Vaters, sondern auch die Großeltern meiner Frau wohnten in früherer Zeit in Sankt Johannis. Aus den Erzählungen dieser liebenswerten Menschen weiß ich allerhand, was in “Kanz“ im Laufe der Jahre so passiert ist. Eine Geschichte aber hat mich als Jungen besonders beeindruckt und zwar die, vom Brandstifter Expresser.

 

Wenn die alten Leute mir diese Story erzählten, dann schienen sie selbst noch im Banne des Erlebten zu stehen, denn es muß einen starken Eindruck bei ihnen hinterlassen haben. Über eine Woche lang, genauer in sieben Nächten, brannte es in “Kanz“, und niemand ahnte, wer da wieder und wieder gezündelt hatte, bis der Großvater meiner Frau den Übeltäter bei seinem frevelhaften Tun beobachtete, was dann unmittelbar zu dessen Festnahme führte.

Was den Expressers Hanni – wie er im Dorf genannt wurde – zu dieser wahnwitzigen Tat trieb, das würde vielleicht aus den Gerichtsakten hervorgehen, sofern sie noch existieren. Die Leute aber erzählten, es habe im Kanzer Gemeinderat Streit gegeben, ob man ein Krieger-Denkmal bauen, oder eine neue, modernere Feuerwehrspritze anschaffen sollte, und da sei die Entscheidung zu Gunsten des Denkamals ausgefallen. Der Hanni soll aber gesagt haben, er wolle den Kanzern schon zeigen, was sie nötiger bräuchten, und begann zunächst im eigenen Hause, und dann bei den Nachbarn Feuer zu legen.

Beim Löschen soll er fleißig mitgeholfen haben, und bei einem der Brände rief er sogar aus: “Dort löfft er, der Brandstifter!“ und als alle Helfer in die Richtung schauten, in die er gewiesen hatte, da schnitt der Hanni rasch die Feuerwehrschläuche durch, so daß kein Löschwasser mehr zum Brandherd kam. Als er dann aber eines Abends im Wirtshaus sagte: “geht ner ruhig haam, ihr Leit, heit Nacht brennt’s net“, worauf es auch wirklich in dieser Nacht nicht brannte, da wurden die Menschen stutzig. Sie schöpften Verdacht auf den Hanni und beobachteten ihn bei allem was er trieb, bis besagter Großvater meiner Frau ihn überführte.

Aus der Untersuchungshaft soll er seiner Frau einen Brief geschrieben haben, in dem zu lesen stand: “ein einziger Streifer, und dein Hanni ist erlöst“, womit gemeint war, seine Frau solle selber irgendwo anzünden, damit der Verdacht von ihm weg auf einen Unbekannten gelenkt würde. Expresser hatte nicht damit gerechnet, daß der Gefängnisdirektor diesen Brief lesen würde. Da dies aber doch geschah, war der Hanni “geliefert“ und wurde zu mehreren Jahren Zuchthaus verurteilt, die er auf der Plassenburg absitzen sollte, wo er sich dann aber erhängte.

© Heiner Vogel

 

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