[ Grabinschrift eines arbeitslosen Metallers ]

Das Gedicht entstand aus Anlaß der Schließung des AEG-Werks in Nürnberg und der Verlagerung der Arbeitsplätze nach Polen. Name und Handlung sind frei erfunden. Eine Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig.

Dieses Gedicht wurde als Leserbrief im Nordbayerischen Kurier abgedruckt.

 

Hier ruht in Frieden Michael Greiner,
Vom Heer der Arbeitslosen einer.
Er zählte noch nicht fünfzig Jahr’,
Als er entlassen worden war.

Sein Arbeitsplatz wurd’ ihm gestohlen.
Die AEG zog um – nach Polen.
In Nürnberg ward die Arbeit rar,
Weil er “global“ zu teuer war.

Nun muß der Michel sich bequemen,
Und ’nen “ein-Euro-Job“ annehmen.
Der überbrückt ein halbes Jahr
Und dann war’s auch schon wieder gar.

Drauf schickt vom Arbeitsamt die Dame
Ihn hin zu ’ner ABM-Maßnahme.
Der Michel reagiert stocksauer:
“Das ist doch auch nix auf die Dauer!“

Die Zeit geht hin, das Geld wird knapper.
Den Michel ärgert das Geplapper
Von jenem, der am Stammtisch schrie:
“Wer Arbeit sucht, der findet sie!“

Er haßt solche Leut’ in seiner Kneip’n
Und findt ihr Gschmarri längst zum Speib’n,
Drum trinkt er schweigend aus sei’ Bier
Und landet schließlich bei Hartz IV.

Mer schult ’na um zum Kist’n-Stapler.
Die Jobs wer’n immer miserabler.
Do soocht der Michel: “Gut – OK –
Dann gründ’ i’ halt a Ich-AG.“

Des Gschäft geht schlecht, mer muß si’ scheema;
’S hilft nix - er muß Kredit aufnehma;
Sei’ Schuldnlast wächst in die Breite –
Nach einem Jahr, da is’ er pleite.

Weihnacht’n ist’s, die Lichtlein funkeln,
Doch seine Zukunft liegt im Dunkeln.
In dieser stillen heiligen Nacht,
Hat sich der Michel umgebracht.

Er wollt’ vom Leben nix mehr wiss’n
Und hat si’ vor die U-Bahn g’schmiss’n.
Der Fahrschein woar sei’ letzter Schein:
Der Himmel mög’ ihm gnädig sein!

© Heiner Vogel

 

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