[ Kurstress in Bayrisch Gmain ]

Nach einer wahren Begebenheit - aufgeschrieben nach dem Motto

            “Sobald der Arzt benennt das Leiden,
            wird jeder Patient bescheiden”.

             

            Als wohlbeleibtem Wohlstandsbürger,
            von Streß geplagt und daher krank,
            hat man dir eine Kur bewilligt,
            du denkst: “Na endlich! Gott sei Dank!“

            Um wieder dich gesund zu machen,
            beruft man dich nach Bayerisch Gmain.
            Flugs packst du deine Siebensachen
            geschickt in einen Koffer rein.

            Du fährst nach Bayern, in dem Glauben,
            daß dort man Ruhe dir gewährt –
            den Glauben wird der Arzt dir rauben,
            der dir das Kurprogramm erklärt.

            Der Chefarzt tut dies höchstpersönlich,
            er sagt dir, daß du nicht Tourist,
            vielmehr Patient und – wie gewöhnlicht –
            selbst schuld an deiner Krankheit bist.

            Drum – gleich am allerersten Kurtag
            läßt er dich nicht mehr aus dem Haus.
            Er hält dir einen langen Vortrag,
            der Nachmittag reicht meist nicht aus.

            So lädt er dich am nächsten Morgen
            nochmals zu einer “Predigt“ ein
            und referiert bis spät nach Mittag,
            der Klinik-Chef von Bayerisch Gmain.

            Er sagt: “Man darf doch nicht vergessen,
            ihr habt – pardon – zu viel gefressen,
            drum sage ich es euch ganz offen:
            ihr habt auch – mit Verlaub – gesoffen

            und außerdem sehr stark geraucht,
            so daß ihr euch nicht wundern braucht.

            Deshalb werd’ ich euch “mores“ lehren!
            Ihr sollt fortan das Fett entbehren.
            Ich setz’, um es euch zu entzieh’n,
            euch gleich auf Tausend Kalorie’n.

            Bei dieser Kost, das weiß ein jeder,
            da werdet ihr zwar niemals satt,
            doch auf dem Fahrrad-Ergometer
            schafft leicht ihr hundertfünfzig Watt.

            Das tut euch gut, ihr armen Schlucker,
            das stärkt den Kreislauf, senkt den Zucker,
            steigt auch der Blutdruck auf Zweihundert,
            darüber sind wir nicht verwundert.

            Wir füttern euch mit “Betablocker“,
            der bringt euch wieder groß in Form,
            er macht euch wurstig, macht euch locker
            und senkt den Blutdruck ganz enorm.

            Wenn er sich dann zum Nullpunkt neigt –
            dann kriegt ihr Tropfen, daß er steigt.

            Ist wieder dann der Druck zu groß,
            dann fragt man sich: was ist hier los?
            ‘Was machen wir mit diesem Mann?
            Wir schau’n uns mal die Nieren an!

            Nun muß hierzu der Darm ganz leer sein.
            Das kann ja schließlich nicht so schwer sein,
            ein Abführmittel – altbewährt –
            bewirkt sehr rasch, daß er sich leert.

            Das ist gewiß kein Hokus-Pokus,
            läuft man auch X Mal hin zum Lokus,
            doch wird – ganz nebenbei – erreicht,
            daß aus dem Darm der “Smog“ entweicht.

            Nun injiziert man – nota bene –
            ’nen braunen Farbstoff in die Vene
            und geht uns der Patient nicht drauf,
            dann nehmen wir die Nieren auf.

            Auch machen wir zuletzt, zum Abschluß,
            noch von der Blase einen Schnappschuß,
            könnt’ sein, daß sie nicht funktioniert,
            was oft zu hohem Blutdruck führt.

            Die Röntgenbilder zeigen’s klar,
            daß gar nichts an den Nieren war
            und auch die Blase ist O.K.
            schön, sagst du dir, das wußt ich eh’.

            Nun gut – wenn’s nicht die Nieren sind,
            mal seh’n, ob man nichts anderes findt.

            Hat er gesoffen wie ein Eber?
            Dann hat er’s sicher an der Leber!
            Drum, eh’ wir hier noch länger klügeln,
            woll’n wir erst mal die Leber spiegeln.

            Man läßt es über sich ergeh’n,
            man weiß, es kann fast nichts gescheh’n.
            Damit man sich nicht erst lang sträubt,
            wird man vorher ganz leicht betäubt.

            Die Spiegelung selbst ist ein Erlebnis,
            mit dem man später “protzen“ kann,
            ist negativ auch das Ergebnis –
            es kommt nicht auf die Kosten an.

            Drum – laßt die Leber jetzt in Ruh’,
            wir wenden uns dem Herzen zu.

            Der handliche “kleine Herzkatheder“
            zeigt uns, was dir im Herzen wohnt,
            den kennt heut’ beinah’ schon ein jeder,
            auch du bleibst nicht davon verschont.

            Derweil nimmst du zu deiner Wandlung,
            auch Teil an allerlei Behandlung:
            Gymnastik, Fango, Wassertreten –
            damit kuriert man hier fast jeden,

            läßt dich massieren und gehst Schwimmen,
            das Pensum muß ja schließlich stimmen.
            Hat man dich dann total verbogen,
            dann schickt man dich zum Psychologen!

            Ob krank du bist, das sagt dir später
            Der Klinik-Chef von Bayerisch Gmain,
            denn mit dem “großen Herzkatheder“
            schaut selbst er dir ins Herz hinein.

            So geht es weiter, ohne Pause,
            doch kurz bevor du fährst nach Hause
            guckt er dir noch ins Arschloch rein!
            Der Klinik-Chef von Bayerisch Gmain.

            Genug !!! schreist du, ich bin geheilt!
            Zu lang schon hab’ ich hier verweilt.
            Gebt rasch mir den Entlassungs-Schein,
            und dann leb’ wohl, mein Bayerisch Gmain.

            Doch in der Stille denkst du nur:
            Nie wieder komm’ ich her zur Kur!
            Dein Magen knurrt, du fühlst dich flau,
            es schwindelt dir, als wär’st du blau.
            Du träumst nur noch von Schweinebraten
            und fürchtest dich, es zu verraten.

            Aus Angst, er könnt’ dir gut bekommen,
            hast du im Traum schon zugenommen.
            Drum widerstehst du der Versuchung
            Und gehst zur Abschluß-Untersuchung.

            Der Stationsarzt läßt dich kommen,
            sagt dir, wieviel du abgenommen,
            was er sich denkt, sagt er dir nicht,
            er schreibt es rein in den Bericht,
            sorgsam verschlüsselt steht es da,
            als Nachweis für die “BfA“.

            Zum Schluss sagt er dir unumwunden:
            “Wir hab’m so gut wie nichts gefunden,
            zu ernster Sorge ist kein Grund,
            mit einem Wort: “Sie sind gesund!“

            Du packst den Koffer, fährst nach Haus,
            ruhst dich von den Strapazen aus,
            du fühlst dich elend, wie zuvor,
            des Chefarzt’s Wort dröhnt dir im Ohr –
            ihm freilich geht es täglich besser,
            im nächsten Jahr wird er Professer!

            © Heiner Vogel
             

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