[ “Lainecker” Originale ]

Da die Hölzleinsmühle, zu der Zeit als ich dort geboren wurde, noch zur Gemeinde Laineck gehörte, bin ich eigentlich kein eingeborener Bayreuther, sondern ein gebürtiger Lainecker und mußte deshalb auch ein Jahr lang in Laineck zur Schule gehen, bevor ich in die Schule St. Georgen am “Brandenburger“ wechseln durfte. Daher kam’s, daß ich auch einige Lainecker Originale kennen lernte, denn auch in dieser Gemeinde gab es welche.

 

Der “Pflutschn-Toni“, auch genannt “Die Schiefgosch’n“.

Unter den Lainecker Originalen war zunächst einmal der Gemeinde-Diener, dessen Mund – aus welchem Grund, weiß ich nicht – ziemlich schief im Gesicht stand, was ihm den Spitznamen “Pflutschn-Toni“ eingetragen hatte.

Der Toni ging damals noch mit der Handglocke durchs Dorf, wenn wieder einmal ein Waggon Briketts für die Lainecker und Kanzer Bevölkerung angekündigt worden war und „schellte sie aus“ wie man sagte, wobei er wegen seines “krummen Mauls“ mit schwer verständlicher Stimme ausrief:

„Morgn gibt’s Kulln!“ „Morgn gibt’s Kulln!“ „Morgn gibt’s Kulln!“ ...

Das Wort „Briketts“ war für “Die Schiefgosch’n“ viel zu schwierig.

 

Der “Rangers“.

In den selbständigen Gemeinden Laineck und Sankt Johannis war – neben anderen Handwerkern – auch jeweils ein Glaser vorhanden, und der Lainecker Glaser hieß eigentlich Ranger, aber die Lainecker hatten auch ihm einen Spitznamen angehängt und nannten ihn den “Rangers“, was so viel wie Steck- oder Runkelrübe bedeutet. Er war ein Könner in seinem Fach und mir schenkte er, wenn er in der Mühle zu tun hatte gerne einen Batzen Fensterkitt zum Spielen, und darum habe ich ihn als umgänglichen Menschen in Erinnerung. Aber wenn man ihn beim Spitznamen rief, dann wurde er böse.

Und die Wirtshaus-Brüder machten sich natürlich einen Jux daraus, ihn “Rangers“ oder gar “Rangerskopf“ zu rufen, und das machte ihn wütend und dann begann er zu trinken. Und wenn er schon mal einen in der Krone hatte, dann gaben sie ihm noch mehr zu saufen unter der Bedingung, daß er für sie den “Affen“ markierte, wozu er sich auf den Tisch setzte und sich zu lausen begann. Das machte er so echt, daß die ganze Wirtsstube sich vor lachen bog.

Einmal hatte er in der Bayreuther Zuckerfabrik Wirsing zu tun, und da war er schon halb voll als er zur Arbeit kam, trank aber weiter bis er ganz voll war und “im Koma lag“ würde man heute sagen. Da trugen ihn zwei Arbeiter ins Kesselhaus und legten ihn zur Ausnüchterung neben der Feuerung der Dampfmaschine ab. In so einem Kesselhaus ist es natürlich ziemlich heiß, und durch die Hitze wurde der “Rangers“ langsam wieder nüchtern, und als er erwachte, da sah er, wie der Heizer gerade mit dem Schürhaken in der Feuerung herumstocherte, daß die Funken stoben und da glaubte der Ärmste, er sei in der Hölle und rief voller Verzweiflung:

„Guter Deifl, tu mer nix, ich bin im Rausch g’storbm!“

© Heiner Vogel

 

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