[ Die beiden Lehrbuben ]


Für einen Freund zum 80. Geburtstag.
 

Mein lieber Konrad, ich erfahre,
Du wirst ja heute 80 Jahre
Und hast Geburtstag - haargenau
Am gleichen Tag, wie meine Frau.

Wie war das noch, in jenen Jahren,
Als wir zwei beide “Stifte“ waren?
Du warst im Laden schon zuvor,
Mich steckte man erst ins Kontor.

Du durftest Bücher schon verkaufen,
Da mußt’ ich noch als Bote laufen.
Für Hilfsarbeiten war ich da,
Weil unsern Chef man selten sah.

Buchhändler wollten wir zwei werden,
Doch - wie es oft so geht auf Erden,
Kam alles anders, als gedacht:
Der Krieg hat damit Schluß gemacht.

Nach einem Lehrjahr - ungelogen -
Ward ich zum Wehrdienst eingezogen;
Dich ließ man Tag und Nacht nicht ruh’n,
Beim Luftschutz mußtest Dienst Du tun.

Als auf Bayreuth die Bomben fielen,
Da brannte es an vielen Zielen,
Samt “Braunem Haus“ ging kurz darauf
Die Buchhandlung in Flammen auf.

Mich hielt in Auschwitz man gefangen.
Wie’s in der Heimat Dir ergangen,
Erfuhr ich erst nach langer Frist:
Du lerntest dann als “Bandagist“

Und bist, so wie du mir’s beschrieben,
Dem Wunschberuf auch treu geblieben.
Mich hielten bis zum Jahres-Rest
Die Russen noch im Lager fest.

Als man mich hat - ich konnt’s kaum fassen -
Aus der Gefangenschaft entlassen,
Fing als ein schwacher junger Mann
Ich eine Schreinerlehre an.

War als Gesell’ oft ohne Arbeit,
meist ohne Schuld, das ist die Warhheit,
Doch hielt ich’s 15 Jahre aus,
Die meiste Zeit im Festspielhaus.

War Tischler und “Kulissenschieber“,
Das war kein leichter Job, mein Lieber.
Erst als ich ward Material-Verwalter.
Fand ich zurück zum Federhalter.

Du aber - hör’ ich - wurdest später
Mit Leib und Seele Sanitäter
Und bist noch heut’, man weiß es ja,
Mit Leidenschaft beim BRK.

Das Helfen macht Dir jetzt noch Freude.
Um da zu sein für andre Leute
Hältst Du freiwillig Dich auf Trab,
Und Erste-Hilfe-Kurse ab.

Nach Jahren, da wir uns kaum sahen,
Mußt’ einmal ja der Zufall nahen,
Wo wir, als wäre nichts gescheh’n,
Uns in der Sauna wieder seh’n.

Seitdem geschieht es stets aufs Neue,
Daß ich mich auf den Freitag freue,
Wo ich Dich, froh wie eh’ und je,
Mit Deiner Gattin wieder seh’.

Daß dies noch möglichst oft geschieht,
Daß man gesund sich wiedersieht,
Wünscht Dir (und sich) nicht irgendeiner,
Sondern Dein Freund –

Der Vogel’s Heiner.

 

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