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1992 - Mitsubishi L300 2,5 TD 4WD “Delica”

 

Mein Freund Dave, der Trucker, sagt immer „Never love things, because things can’t love you back.“ Eigentlich hat er ja recht, aber irgendwie auch nicht, wie die folgende Hommage an ein treues Familienmitglied zeigt

Es begab sich im Sommer 1992, als die Mitsubishi Motor Company im fernen Japan einen kleinen blauen Bus mit erhöhter Bodenfreiheit in einen Frachter verlud und auf die Reise ins ferne, frisch wiedervereinigte Deutschland schickte. Der kleine blaue Bus hörte auf den Namen „L300 4WD Delica“. Das war von seinen Vätern ursprünglich als technische Abkürzung für „Delivery Car“

gedacht, hörte sich aber doch irgendwie weiblich an, insbesondere, wenn man nicht genau auf die Schreibweise achtete und die eigene Vorstellungskraft den Namen irgendwie automatisch um ein weiteres „i“ auf „Delicia“ ergänzte.

  • Mitsubishi L300 2,5 TD 4WD, 2477 ccm Hubraum,
    87 PS / 64 kW
  • Erstzulassung 13.09.1992, verkauft 16.04.2013
  • gefahrene Kilometer: 165.518
  • weitere Infos zum Fahrzeugtyp finden Sie hier externer Link in neuem Fenster auf Wikipedia

Bis es überhaupt soweit kam, dass Delicia auf die lange Seereise gehen durfte, war schon ein kleines Abenteuer für sich. Der Gedanke zur Neuanschaffung war über einen längeren Zeitraum gereift. Unsere Erstgeborene war inzwischen auf der Welt, und wünschte, nebst ihrer gesamten Erstlingsausstattung bestehend aus Kinderwagen, Reisebett, Wickelauflage und Zubehör angemessen durch die Gegend chauffiert zu werden. Dies war jedoch mit unserem zweitürigen Nissan Terrano trotz dessen Geräumigkeit wegen der fehlenden hinteren Türen etwas unbequem geworden. Als sich dann auch noch ein Schwesterlein für Ruby ankündigte, war die Entscheidung in greifbare Nähe gerückt zumal bei meinen Schwiegereltern schon seit Dezember 1988 so ein famoser L300 Bus, wenn auch ohne Allrad und als Benziner, seinen Dienst tat. Bei uns sollte es nach den positiven Diesel-Erfahrungen mit unserem alten Nissan Patrol schon aus Verbrauchsgründen wieder ein Diesel werden. Jetzt musste nur noch Petra überzeugt werden. Das Auto sei doch ziemlich groß, und es sei wahrscheinlich schwierig einzuparken. Normalerweise macht man für die abschließende Überzeugungsarbeit vor einer Kaufentscheidung einfach mal ne Probefahrt, aber das stellte sich schnell als die erste echte Hürde heraus. Wo ich auch anrief, hieß es, ja, L300 haben wir schon aber keinen Allrad und einen Diesel schon gar nicht. Erst ein Anruf in der deutschen Mitsubishi-Zentrale in Trebur ergab, dass in ganz Deutschland ein einziger Mitsubishi L300 2,5 Td 4WD als Vorführfahrzeug zugelassen war, und der stünde bei einem Händler in Detmold im Teutoburger Wald.

Kurz entschlossen setzten wir uns mit dem freundlichen Händler in Detmold in Verbindung, und obwohl dieser sich an vier Rädern ausrechnen konnte, dass wir den Wagen mit Sicherheit nicht bei ihm bestellen würden, bot er uns an, seinen Vorführ-L300 einen ganzen Tag lang zu testen. Schon sehr früh an einem Maimorgen 1992 machten wir uns auf den Weg Richtung Paderborn. Leider war das Wetter nicht so, wie man es sich für eine Testfahrt erträumen würde: Es regnete in Strömen, als wir über die A7 nordwärts fuhren. Auf der B1 bei Bad Lippspringe – Schlangen zockelten wir eine Weile hinter einem Qualmwolken ausstoßenden, asthmatischen Land Rover 109 der britischen Armee durch den Teutoburger Wald. Trotz des Regens lag der Frühling in der Luft; auf dem Waldboden zeigten sich weiße Blümchen in Scharen.

Endlich beim Händler angekommen, wartete bereits das Objekt der Begierde auf uns: ein dunkelgrünmetallicfarbener L300 Allrad mit dem 87-PS Dieselmotor. Unsere Testfahrt führte uns durch den strömenden Regen kreuz und quer durch den Teutoburger Wald zu Herrmann, dem Cherusker, der, riesig und gewaltig auf seinem steinernen Monument über die Baumwipfel blickte und den heranwehenden Regenschleiern trotzte.

Als wir den Wagen zurückbrachten und uns auf den Heimweg machten, war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. So ein L300 Allrad würde unsere neue Familienkutsche werden. Gleich am nächsten Tag, dem 13.05.1992 orderten wir den Wagen in metallicblau über unseren heimatlichen Händler. Es sollten aber noch fast sechs Monate vergehen, bis unsere Delicia in der Mainleuser Filiale unseres Autohändlers vom Transporter der Spedition Harms auf meinen Autotransportanhänger rollte, der sie zur endgültigen Ausstattung mit Anhängerkupplung und breiteren Reifen nach Bayreuth brachte.

Am 13.10.1992 war es dann endlich soweit. Ausgestattet mit einer 235er BFGoodrich AllTerrain-Bereifung, Anhängerkupplung sowie zusätzlichen Blinkern auf dem Dach funkelte uns Delicia auf dem Hof des Händlers erwartungsfroh an und wurde von Petra sogleich nach Hause chauffiert. Nach der ersten Eingewöhnungsphase hatten alle Familienmitglieder vom Ältesten bis zur Jüngsten sie schnell in ihr Herz geschlossen. Bepackt mit Kinderwagen, Reisebett und Kindersitzen brachte sie die Kinder zu den Großeltern, über drei Jahre hinweg täglich in den Kindergarten im Nachbarort und zu den allfälligen Arztterminen, erledigte die Familiengroßeinkäufe, diente uns für spontane Kurztrips nach Südtirol mit aufgeklappter Liegefläche als rollendes Hotel, zog unsere Anhänger, half beim Erweiterungsbau unseres Hauses als Baustellenlieferwagen, und dies alles stets klaglos und ohne Pannen.

Am Anfang ihrer Karriere machte uns Delicia’s Allradantrieb ein wenig Kopfzerbrechen. Immer wenn man ihn einlegte, hatte man das Gefühl, jemand hätte dem Auto 30 PS von seinen 87 PS geklaut. Besonders auf Teer lief der Wagen im 4x4 derart laut und unruhig, dass wir über unsere Mitsubishi-Werkstatt sogar den großen Garantie-Experten von Mitsubishi Deutschland auf den Plan riefen. Trotz aller Überprüfungen und Checks kam allerdings bei der Fehlersuche nichts heraus. Nachdem uns der Experte beruhigt hatte, dass nichts kaputt gehen könne, gewöhnten wir uns an den Umstand, zumal der Allrad ja eher selten im Einsatz war. Delicia war eben ein Auto mit Charakter, und die leicht asynchrone Übersetzung von Vorder- und Hinterachsdifferentialen gehörte offenbar zu ihren Charaktereigenschaften.

Am Anfang ihrer Karriere kam Delicia – von einem Ausflug zu einem Allradwochenende auf den damals noch für die Öffentlichkeit befahrbahren Militärstraßen des Brenner-Grenzkammgebiets abgesehen – nicht sehr weit über unsere unmittelbare Umgebung hinaus. Dies änderte sich, als die Kinder etwas größer wurden. Eine erste Urlaubsfahrt führte Ende Mai 1994 die mit Eltern, zwei Kindern, Oma und Opa, zwei Fahrrädern auf dem begehbaren Dachgepäckträger und zwei Dachkoffern schwer bepackte Delicia Richtung Dänemarks Nordspitze. Wir fuhren die ganze Nacht durch, damit die Kinder während der Fahrt schlafen sollten. Über die seit 1945 kaum renovierte A9 ging die Fahrt durch die frisch grenzeröffneten neuen Bundesländer. Schon kurz vor Berlin hemmte eine Totalsperrung wegen eines schweren Verkehrsunfalls unser Vorwärtskommen. Nachdem wir gegen Mitternacht eine Stunde bei Beelitz-Heilstätten im Stillstand verbracht hatten, begannen die ersten Fahrzeuge vor uns durch eine offene Stelle in der Mittelleitplanke auf die Gegenfahrbahn zu wenden und die Autobahn an der Ausfahrt Beelitz zu verlassen. Wir folgten diesem ungesetzlichen Beispiel – es waren halt noch Wild East-Zeiten – und suchten uns unseren Weg durch schlecht beleuchtete märkische Dörfer nach Norden auf den Berliner Ring. Im Morgengrauen erreichten wir Hamburg; über die Köhlbrandbrücke und den Elbtunnel ging es weiter nach Norden bis zu unserem gemieteten Ferienhaus in Lemvig. In den folgenden zwei Wochen brachte uns Delicia ins Legoland und mit zwei tief schlafenden, von den Legoländer Facepaintern zu Katze und Maus umgestalteten Mädchen in den Kindersitzen wieder zurück zum Ferienhaus, zum Skagerrag, an diverse Strände und letztendlich nach unvergesslichen zwei Wochen in einer weiteren langen Nachtfahrt wieder nach Hause.

Unvergesslich wird uns sicherlich auch die Fahrt zur Beobachtung der Sonnenfinsternis am 11.08.1999 sein. Ganz Mitteleuropa war in Aufregung, und weil für Deutschland flächendeckend schlechtes Wetter angesagt war, und jeder verschiedene Strategien entwickelte, wo man ein Fleckchen klaren Himmel finden könnte. Da wir unseren Kindern das einmalige Erlebnis nicht vorenthalten wollten, hofften wir entsprechend dem Wetterbericht, ganz im Westen Deutschlands besseres Wetter zu haben. Vollbeladen mit Oma, 2 Opas und den vier Vögeln eilte Delicia gen Westen. Leider stoppte uns bei Heilbronn brenzliger Geruch vom vorderen linken Reifen, der nur noch wenig Luft aufwies. So schnell wie möglich holten wir den schmaleren Reservereifen unter dem Fahrzeugboden hervor und wechselten ihn gegen den den nicht mehr zu gebrauchenden Vorderreifen, denn es lief uns die Zeit bis zum Zeitpunkt der Sonnenfinsternis davon, und der Himmel war immer noch wolkenverhangen. Wir kamen bis in die westliche Pfalz, und letztendlich erwies sich die Entscheidung, nach Westen zu fahren, als die falsche. Außer im strömenden Regen auf einer Hunsrückwiese ein plötzliches Verstummen der Vögel und ein Dunkelwerden des Himmels wie an einem regnerischen Abend konnten wir leider nichts beobachten. Delicia brachte uns aber auch auf dreieinhalb Rädern gut und wohlbehalten wieder nach Hause.

Außer dieser Reifenpanne, einem abgerosteten Anschlusskabel an der Lichtmaschine, die sich nur durch schwindendes Scheinwerferlicht und Stehenbleiben der Scheibenwischer durch den reinen Batteriebetrieb bemerkbar machte sowie einem festen Bremssattel und eine gebrochene Lichtmaschinenhalterung, die ich mit Bordmitteln auf dem Autobahnparkplatz an der A9 reparieren konnte, hat uns Delicia in ihren 21 Dienstjahren in unserer Familie nicht ein einziges Mal im Stich gelassen. Dank fehlender Elektronik konnte man sich auch meist selbst helfen. Einzig die aufgrund der Bus-Bauweise schwere Erreichbarkeit mancher Komponenten trübten manchmal die Freude am Schrauben. So wechselte ich den Tank nach 16 Jahren, mehrfach die Bremsen, die Auspuffanlage, die Keilriemen und die vorderen Stoßdämpfer selbst.

Als eine absolute Fehlinvestition erwies sich die nachgerüstete Klimaanlage, die wir für sehr viel Geld 1993 einbauen ließen. Ständig traten Lecks im Kühlflüssigkeitssystem auf, der Kompressor machte Schwierigkeiten, die Gesetzeslage machte eine teure Umrüstung auf das FCKW-freie Kühlmittel R134a erforderlich, und nach dem heißen Sommer 2003 gab es noch in der Werkstatt während einer Wiederbefüllung einen explosionsartigen Knall und sowohl der Mechaniker als auch ich standen in einer Nebelwolke. Der Klimakompressor hatte sich durch den höheren Arbeitsdruck verabschiedet und war geborsten. Fortan mussten wir wieder mit Fahrtwindkühlung auskommen und waren über Delicia’s variable Schiebefenster dankbar.

Klaglos schleppte Delicia auch unsere Anhänger hinter sich her. Mit ihren 2,5 Tonnen Zugkraft half sie beim Erweiterungsbau unseres Hauses, transportierte andere Fahrzeuge und zog unseren Wohnwagen durch halb Europa. Beim Rangieren der Anhänger waren die aus dem Nachrüstprogramm des Mitsubishi Pajero stammenden großen beheizbaren LKW-Spiegel, die ich für die Montage an Delicia leicht modifizieren musste, wunderbare Helfer. Gelbe Nebelscheinwerfer, eine Heckleiter aus Aluminium und zusätzliche Blinker auf dem Dach gaben Delicia ein unverwechselbares Aussehen. Eine Freisprecheinrichtung von Hama sowie eine selbstkonstruierte Navi-Halterung ergänzten die Ausstattung, sollten aber später unvorhergesehene Probleme bereiten.

Eine harmlose Urlaubsfahrt nach England brachte neue Abenteuer und Erfahrungen. Da wir die Mitternachtsfähre genommen hatten, diente uns Delicia für den Rest der Nacht als - wenn auch ein wenig beengtes - Familienhotel am Strand. Bei einem Besuch in London hatte ich dummerweise ein uraltes Handy in der Freisprecheinrichtung vergessen. Dies genügte für einen Dieb, die arme, im Bezirk Southwark unweit der Tower Bridge geparkte Delicia durch brutales Einschlagen eines der Schiebefenster aufzubrechen, das Handy aus der Halterung zu reißen und die Flucht anzutreten. Zurück blieben viele Scherben im Auto und eine verdatterte Familie bei der Rückkehr zum Auto.
 


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