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1982 - Renault 9 TSE

 

Anfang des Jahres 1982 fanden mein Vater und ich durch Zufall beim Bayreuther Renault-Händler Autohaus Wedlich einen Wagen, der uns gleichermaßen faszinierte wie überzeugte. Es handelte sich um das gerade von Renault auf den deutschen Markt geworfene Modell R9, als Vorführwagen in der für unsere Verhältnisse luxuriösen TSE-Version mit 1,4 Liter-Maschine und 72 PS in Apollo Metallic. Der Wagen hatte bereits elektrische Fensterheber, Alufelgen und die für Renault typischen Schwingsitze vorne, die sich wie ein Schaukelstuhl in eine sportliche Position verstellen ließen. Am 30.03.1982 kaufte mein Vater, der eben als Spätberufener auch noch den Führerschein erworben hatte, den Wagen für stolze 14.500 DM. Für mich war es ein hundertprozentiges Upgrade an Ausstattung gegenüber der Nobelente, eine Verdoppelung der Leistung

unter dem Hintern, die ich natürlich - kurz vor dem Abitur - trotz meines relativ kurzen Schulweges auf dem Schulparkplatz präsentieren musste, was mir naturgemäß viel Spott in meiner Charakteristik in der Abiturzeitung einbrachte.

  • Renault 9 TSE, 1397 ccm Hubraum, 72 PS / 53 kW
  • Erstzulassung 30.03.1982. Totalschaden 23.01.1985
  • gefahrene Kilometer: 71.245
  • weitere Infos zum Fahrzeugtyp finden Sie hier externer Link in neuem Fenster auf Wikipedia


Der Wagen begleitete mich durch ein dreimonatiges Praktikum beim Vermessungsamt Bayreuth auch auf schlechten Wegen im Landkreis, zu meiner Bundeswehr-Grundausbildung in die hinterste Eifel und anschließend als Pendlerfahrzeug täglich nach Hof, wo ich meinen Wehrdienst ableistete. Nach der Bundeswehr fuhr er mich wöchentlich zum Studium nach Karlsruhe und von dort auch klaglos auf schlechten Wegen zu studentischen Exkursionen wie diversen Vermessungsübungen im Schwarzwald. Auch für einige erste Urlaubsreisen in den Semesterferien musste er einiges an Kilometern absolvieren, wie zum Beispiel nach dem Abitur durch Südwestdeutschland und die Schweiz bis in die Bayreuther Partnerstadt Annecy.

Leider war es auch beim französischen Konkurrenten Renault nicht weit her mit der Qualität. So waren bei dem Wagen das Schaltgestänge freiliegend, was bei Salz und Feuchtigkeit im Winter schnell zur Schwergängigkeit der Schaltung führte. Ständig waren die Gummimanschetten der vorderen Antriebswellen und die Gummimanschetten der Lenkung aufgeschlitzt und das Fett trat aus, was jedesmal einen aufwändigen und teuren Ausbau der Antriebswellen und Achsschenkel bedeutete. Die Werkstatt schob es auf den Marder, aber dafür waren die Schnitte zu glatt und zu gradlinig. Bald war der elektrische Scheibenheber kaputt, die hintere linke Türe ließ sich nicht mehr öffnen, der Starterzug musste erneuert werden, der Lichtschalter war kaputt und bereits bei 45.000 km waren die Bremstrommeln, die Radbremszylinder hinten und die Stoßdämpfer verschlissen und mussten getauscht werden. Dafür war der Wagen stabil gebaut; einen selbstverschuldeten Unfall, bei dem ich rückwärts aus Unachtsamkeit gegen einen Mercedes Transporter fuhr, überstand der R9 ohne Schaden, während der Mercedes mit kaputter Stoßstange und gebrochenem Kühlergrill in die Werkstatt musste.

Das Renault-Werksradio tauschte ich im Juli 1983 gegen ein Blaupunkt Bremen SQR 32 Cassettenradio, für damalige Verhältnisse ein High-End Gerät, und sammelte beim Einbau der Lautsprecher in die Hutablage und beim Anschluss und Verlegen der Kabel meine ersten Erfahrungen zum Thema Autoelektrik. Mit dem richtigen Musikgenuss waren auch die langweiligen Fahrten üner die A6 ins badische Ausland bedeutend kurzweiliger.

Leider rächte sich Mercedes gewaltig an meinem R9 für den Imageverlust beim vorgenannten Auffahrunfall, was zu einem plötzlichen wie unrühmlichen Ende für den Renault führte. Am 29.01.1985 erlitt ein badischer Rentner mitten im Stadtverkehr von Karlsruhe einen Herzinfarkt beim Fahren und verstarb tragischerweise noch während sein Wagen über eine Kreuzung fuhr. Sein führerlos gewordener weißer Mercedes 200 D ”Strichacht” schoss nach links über die vierspurige Ettlinger Straße, durchbrach zwei Hecken und eine Straßenbahnhaltestelle und wurde erst durch meinen ordnungsgemäß am Straßenrand geparkten Renault gestoppt. Wie durch ein Wunder wurde weder jemand von den wartenden Fahrgästen an der Haltestelle noch andere Verkehrsteilnehmer im Gegenverkehr vom Mercedes erfasst. Der R9 wurde durch den Anprall um 45 Grad über die Bordsteinkante gedreht und auf das dahinter geparkte Auto geschoben. Ich hatte in meiner Studentenbude fünf Stockwerke darüber den Krach gehört und schon vom Fenster aus die unnatürliche Endposition meines Wagens gesehen. Als ich zur Unfallstelle gerannt kam, waren vom Notarzt nur noch der Exitus des Rentners und von der Polizei der Totalschaden meines Renault festzustellen. Geschockt durfte ich beiwohnen, wie mein R9 auf einen Abschleppwagen der Firma Kazenmaier geladen wurde und zum firmeneigenen Schrottplatz gebracht wurde. Dort stellte man fest, dass die rechte Vorderachse samt Getriebe aus der Halterung gerissen war sowie der Rahmen verzogen war. Getröstet wurde ich nur durch die Tatsache, dass sich die Profis perfekt um die Abwicklung des Versicherungsschadens kümmerten und mich als unschuldigem Unfallgeschädigten für 14 Tage mit einem feuerroten Golf GTI Mietwagen ausstatteten. Der Abschleppfahrer kaufte mir am Ende für 500 DM auch noch den Schrott ab. Ob er den Renault wieder herrichtete oder nur als Ersatzteillager ausschlachtete, konnte ich leider nicht mehr in Erfahrung bringen.


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